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Reinhard Klappert, Winterspuren: Wege in die Stille - Faszination Schitour, Verlag J. Berg.

Einklang

Schritt um Schritt.
Nichts sonst. Was auch?

Nur das sanfte Knirschen frischen Schnees,
das Klacken der Bindung. Schritt um Schritt.
Und mein Atem und der Atem hinter mir.
Keine Forderung. Kein Anspruch.
Nur das Nach-Oben-Wollen.
Sinnlos. Zwecklos. Herrlich.
Eine Kurve, eine Kehre, Schritt um Schritt,
hier etwas Kraft, dann wieder Rast.
Ruhe. Öffnen. Zeit, die nicht verloren geht.

Bedürfnislosigkeit.

Nur das so klare, einfache Ziel und der Weg,
der immer kürzer wird.
Von hier unten nach da oben.
Dazwischen nur der Weg, der irgendwann zu Ende geht.

Mein Schritt, mein Herz, mein Atem und der Atem hinter mir.
Wir wollen nach oben.
Wir müssen nicht. Herrlich.

Schritt um Schritt. Ganz einfach und klar.
Nichts sonst. Was auch?

Alles im Lot ...

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Reinhard Klappert, Winterspuren: Wege in die Stille - Faszination Schitour, Verlag J. Berg.

Allein

Ich weiss, man sollte nicht.
Es steht geschrieben: Alleine nicht!
Der Winter sei rachsüchtig, sagt man; was nicht stimmt.

Das gebrochene Bein mitten im Schnne!
Allein. Weitab von Menschen.
Erfrieren? Sterben? Warum bitte?
Man stirbt nicht an gebrochenen Beinen.
Auch nicht im Schnee.

Aber man stirbt vielleicht, ohne das gespürt zu haben:
Das Schweigen. Die makellose Stille.
Der Blick in das verlorengeglaubte Drüben.
Eine kurze schöne Frist genossenen Gastrechts jenseits einer Grenze,
die nicht sichtbar ist und doch alles trennt.
Alles, somit auch das Wesentliche vom Unwesentlichen.

Dort unten ein Haus.
Von dort zu mir Lichtjahre.

Wie schön, jetzt allein zu sein ...

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Reinhard Klappert, Winterspuren: Wege in die Stille - Faszination Schitour, Verlag J. Berg.

Winterspuren

Gravieren. Zeichnen. Eingraben.
Kehre um Kehre.
Schwung um Schwung zum fertigen Gemälde.

Sichtbar gewordene Harmonie zwischen mir und der wie schlafenden,
weichbedeckten Landschaft.
Die Welt im Winterschlaf. Ruhend.
Nur mein gefrierender Atem und die Spur.
Ich darf wach sein, daran teilhaben.

Das immerwiederkehrende Glücksgefühl.
Die fast schon verlernte Behutsamkeit,
die man sonst nur noch Kleinkindern gegenüber aufbringt.
Jetzt nur nicht Störenfried sein.
Das Privileg genissen, der Erste sein zu dürfen,
im Einklang mit der Umgebung.

Es ist gar nich anstrengend, das Spuren.
Wer sagt da, das winterliche Hochgebirge sei menschenfeindlich?
Beim Spuren lebt die Illusion in mir,
ewig so weitergehen zu können.

Im Rückblick die Visitenkarte, meine Unterschrift,
die Liebeserklärung an den kargen strengen Winter:
Die Spur.
Die scharfen Ecken der Kehren,
die sanften Schwünge,
das fertige Muster, gezeichnet, graviert, eingegraben.
Ein schöpferischer Akt?
Nein, halt, nicht zu überschwenglich!
Behutsam sein. Nicht stören, Nicht zerstören.

Meine Spur wird verschwinden, im Neuschnee, in der Frühlingsonne,
nur meiner Erinnerung wird sie bleiben
und der Winter flüstert mir zu:
"Schau! Deine Spur! Siehst du?
Du bist hier zuhause.
Und du darfst wiederkommen."

Ja. Das werde ich tun ...

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Reinhard Klappert, Winterspuren: Wege in die Stille - Faszination Schitour, Verlag J. Berg.

Ausklang

Eigentlich will es schon Sommer werden.
Auch in mir.

Das Zeug liegt schon im Keller.
Es blüht und man sieht keinen Schnee mehr.

Alles zu seiner Zeit.
Es will Sommer werden.

Und doch noch ein letztes Mal.
In den Keller.
Seil und Klemmkeile liegen schon obendrauf, verdecken die Ski.

Ein letztes Mal, eine letzte lange Firnzunge
zwischen schon warm atmenden,
aperen Wiesen und Almrauschbüschen.

Noch ein paar allerletzte Schwünge auf tischtuchgroßen Schneeflecken,
ganz bewußt, noch drei, zwei, und der letzte Schwung.

Schön war's und jetzt darf es wirklich Sommer werden ...

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Reinhard Klappert, Winterspuren: Wege in die Stille - Faszination Schitour, Verlag J. Berg.

S. Kraml - aktualisiert am 20. Aug. 2000